Italien
Nicht nur Deutschland hat mit seinem Schiedsrichter- und Wettskandal um Robert Hoyzer in Sachen Manipulation im Sport etwas zu bieten, nein auch in anderen Ländern sind die Staatsanwaltschaften mit der Untersuchung von Betrugsaffären im Fussballgeschäft beschäftigt. Mit einem Fall der jüngsten Geschichte möchte ich mich in diesem Artikel befassen. Es geht um die Manipulationen in den italienischen Serien A und B die im Mai 2006 öffentlich geworden sind.
Wurde in Deutschland die erste Fussballbundesliga noch weitestgehend von den erhobenen Vorwürfen verschont, so sind in Italien die Kreise grösser. Die Vorwürfe richteten sich gegen hohe Funktionäre des Verbandes, gegen Schiedsrichter und Vertreter von insgesamt neun Vereinen der italienischen Ligen A und B.
Erstmals öffentlich wurden die Vorwürfe im Bezug auf Spiel- und Meisterschafts- verschiebungen in den italienischen Serien A und B im Vorfeld der Fussballweltmeisterschaft in Deutschland Anfang Mai 2006. Die italienische Sportzeitung „La Gazetta dello Sport“ bringt mit einem Artikel vom 2. Mai 2006 die Lawine ins Rollen. In diesem Artikel veröffentlicht die Zeitung Abhörprotokolle der Staatsanwaltschaft Turin mit Telefongesprächen des Managers des Erstligisten Juventus Turin Luciano Moggi. Laut dieser Protokolle hat Moggli in der Saison 2004/ 2005 mehrere Spiele in der Serie A mit Hilfe des ehemaligen italienischen Schiedsrichter-Koordinators Pierluigi Pairetto und diversen Schieds- und Linienrichter manipuliert.
In Folge der öffentlichen Entrüstung, die sich über die Veröffentlichungen in Italien breit machte, reichte der Präsident des italienischen Verbandes FIGC Franco Carraro am 8. Mai 2006 seinen Rücktritt ein. Zwei Tage später entschliesst sich auch sein Stellvertreter Innocenzo Mazzini von seinem Amt zurückzutreten. Im weiteren Verlauf der Ermittlungen geraten dann neun Vereine der Serien A und B in Verdacht an den Manipulationen beteiligt gewesen zu sein. Zu diesen neun Vereinen zählen unter anderem die Spitzenclubs Juventus Turin, AC Mailand, Lazio Rom und AC Florenz. Die weiteren Vereine sind Reggina Calcio und Chievo Verona sowie US Lecce, FC Messina und AC Siena. Ausserdem ermitteln die Staatsanwaltschaften in Parma, Turin, Neapel und Rom gegen 50 Funktionäre und Vereinsmanager.
Da der Sportwetten Skandal auch in der Öffentlichkeit anderer Länder wahrgenommen wird und dies ein schlechtes Licht im Vorfeld der Fussballweltmeisterschaft auf den italienischen Verband FIGC wirft, entschliesst sich dieser, seinen für die WM 2006 gemeldeten Schiedsrichter Massimo de Santis zurückzuziehen.
Es werden auch Vorwürfe gegen den italienischen Nationaltrainer Marcello Lippi laut, dass er Spieler bevorzugt einsetzt, die bei der Spielervermittlung GEA unter Vertrag stehen. Das Interessante an der Sache ist, diese Spielervermittlung gehört Lippi`s Sohn David. Die Staatsanwaltschaft eröffnet ein Verfahren gegen David Lippi.
Auch italienische Nationalspieler bleiben von Ermittlungen nicht verschont. Der Torwart der italienischen Nationalmannschaft Gianluigi Buffon wird beschuldigt mit Spielern von Juventus Turin illegale Wetten abgeschlossen zu haben und die Staatsanwaltschaft durchsucht die Wohnung des Nationalmannschaftskapitän Fabio Cannavaro.
Mittlerweile werden die Bilanzen von 71 Klubs der italienischen Profiligen auf Unregelmässigkeiten überprüft. Es wird ein Verfahren gegen Juventus Turin, AC Mailand, AC Florenz und Lazio Rom und 26 Funktionäre vor dem FIGC Sportgericht eröffnet. Die Untersuchungen gegen die übrigen Klubs werden von diesem Verfahren abgekoppelt.
In der Zwischenzeit findet in Deutschland die Fussballweltmeisterschaft 2006 statt und allen Querelen in der Heimat zum Trotz wird Italien Weltmeister. Das pikante daran ist, dass 13 der 26 Spieler der Nationalmannschaft bei einem Verein spielen, die angeklagt wurden. Daher werden auch Forderungen in Italien laut, die eine Amnestie für die Spieler fordern. Diesen Forderungen wird jedoch schnell eine Absage erteilt und am 14. Juli 2006 verurteilt das FIGC Sportgericht Juventus Turin, Lazio Rom und AC Mailand zum Zwangsabstieg in die Serie B. Juventus Turin werden zudem die Meisterschaften der Jahre 2005 und 2006 aberkannt. Zum Meister der Saison 2005/ 2006 wird nachträglich Inter Mailand ernannt. Sonderbar aus meiner Sicht ist lediglich das Urteil gegen den AC Mailand. Dem Verein werden rückwirkend 44 Punkte für die Saison 2005/ 2006 abgezogen. Somit reicht es für Mailand um zwar erstklassig zu bleiben, jedoch die Teilnahme an der Champions League zu verlieren. Ob dies mit der Rolle des italienischen Medienmoguls und damaligen Staatspräsidenten Berlusconi zusammenhängt, der gleichzeitig Eigentümer von AC Mailand ist, wird wohl nie vollständig zu klären sein. Von den 26 Funktionären die ebenfalls vor Gericht standen, werden 19 mit Berufsverboten bis zu fünf Jahren belegt.
Noch wunderlicher als das Urteil gegen den AC Mailand wird es, als die vier Vereine Berufung gegen das Urteil einlegen. Für alle vier Vereine wird das erste Urteil abgemildert. Lazio Rom und der AC Florenz müssen nicht Zwangsweise in die Serie B absteigen und die Minuspunktzahl von Juventus Turin wird auf 17 zum Start der neuen Saison der Serie B reduziert. Ist doch somit noch ganz gut für die Vereine gelaufen, denn entweder haben sie betrogen und auch die ersten Urteile waren gerechtfertigt, oder sie haben nicht betrogen, dann hätte es einen Freispruch geben müssen.